Erfahrungsbericht Strategische Initiative ETEO
Vor etwa sechs Jahren begab sich das Management die Saxonia Systems AG auf einen neuen Weg strategische Ziele zu definieren und umzusetzen. Ähnlich den Prinzipien von Scrum wurde ein Backlog mit strategischen Initiativen angelegt, priorisiert, geschätzt und im Rahmen von viermonatigen Sprints umgesetzt. Ein Stand-Up alle zwei Wochen gab allen Mitarbeitern die Möglichkeit zu erfahren, wer an welchen Initiativen arbeitet. Gleichzeitig konnten sich die Mitarbeiter an der Planung und Durchführung beteiligen. In diesem Blog-Beitrag möchte ich aus der eigenen Erfahrung heraus berichten, welchen Verlauf die Initiative ETEO nahm und was wir damit erreichen konnten. Im letzten Stand-Up war die Initiative zu Ende und wir können heute erstaunliche Resultate vorweisen.
Verteilte Zusammenarbeit mit sechs Standorten und Kunden in ganz Deutschland ist bei der Saxonia Systems AG Realität. Die agile Softwareentwicklung führt zu neueren Formen der Zusammenarbeit, welche mehr Kommunikation und Abstimmung erfordert. Wir begannen frühzeitig damit, mit Videokonferenzanlagen zu experimentieren und entwickelten das eteoBoard, um ein echtes Daily auch verteilt erleben zu können. Wir spürten, dass die Erfahrung in den Teams schlummerte, aber auch, dass wir technisch fit waren, aber den sozialen Aspekt noch nicht ausreichend beleuchtet hatten. Denn verteilte Zusammenarbeit ist auch immer eine Frage des Vertrauens und des Teamgefühls. Somit entschieden wir uns zu Beginn des letzten Jahres eine strategische Initiative vorzuschlagen, welche sich einem ganzheitlichen Konzept für die agile und verteilte Softwareentwicklung widmet.
Was sollte erreicht werden?
Das Ziel der Strategischen Initiative ETEO war, das bisherige Konzept für verteilte und agile Softwareentwicklung ETEO (Ein Team Ein Office) zu einem belastbaren und integrierten Konzept auszubauen. Schließlich sollte es dazu dienen, Dokumentation und Expertise aufzubauen, um bestehende und zukünftige verteilte Teams vor und während des Projekts aktiv zu unterstützen. Der vereinbarte Zielzustand umfasste die Sammlung und Aufbereitung bisheriger Erfahrungen in den verteilten Teams, die Beschreibung von Best Practices für den Projektraum und die eingesetzten Werkzeuge sowie die Entwicklung eines Modells oder Verfahrens für die optimale Begleitung verteilter und agiler Projekte. Schließlich war das Ziel, mit Hilfe eines externen Experten, auch die soziale Komponente mit geeigneten Konzepten und Methoden zu ergänzen und unsere Expertise dahingehend auszubauen. Diese Ziele sollten innerhalb von drei Sprints (1 Jahr) erreicht werden.
Wie haben wir gearbeitet?
Die Sprintlänge gab uns einen Rahmen, für den wir unsere Ziele festlegten. Beispielsweise wollten wir ein Workshop-Konzept erarbeiten oder bestimmte Dinge in unseren Teams erproben. Wir schnitten dazu einzelne Arbeitspakete und verwalteten sie in einem Aufgabenmanagementsystem. Als Ablage unserer Ergebnisse nutzten wir ein Wiki, auf welches jeder jederzeit Zugriff hatte.
Die Bearbeitung einer Strategischen Initiative kann aufgrund der operativen Themen eines jeden Mitarbeiters nicht Vollzeit bearbeitet werden. Auch fluktuiert die Zahl der Bearbeiter gelegentlich. Mitgewirkt hatten
- Alfred Mönch als Geschäftsbereichsleiter,
- Frank Sievert als erfahrener Projektleiter und agiler Coach,
- Stefanie Albrecht aus dem Bereiche Sales & Business Development,
- Kay Grebenstein aus dem Bereich der Qualitätssicherung,
- Erik Bens als erfahrener Product Owner,
- Juliane Kluge als externer Coach,
- Clemens Hahn als Psychologiestudent,
- und ich als Entwickler und Architekt, der längere Zeit in einem verteilten Scrum-Team gearbeitet hatte.
Eine Herausforderung war vor allem, alle an einen Tisch zu bekommen. Manchmal zeigten sich bei uns selbst die Symptome eines dysfunktionalen verteilten Teams. Gelegentlich verfolgten wir unterschiedliche Ziele, kommunizierten nicht ausreichend und brauchten gelegentlich viel Zeit, um uns wieder auf einen Stand zu bringen.
Wir konnten ein regelmäßiges Treffen am Montagmorgen etablieren, was aus meiner nachträglichen Perspektive sehr wichtig war. Ähnlich zu einem Stand-Up konnten wir uns hier synchronisieren und die nächsten Schritte besprechen. Auch waren konzentrierte Workshops von 1-2 Stunden bis hin zu einem ganzen Tag sehr hilfreich, um bestimmte Arbeitspakete gemeinsam umzusetzen. Viele Inhalte entwickelten sich erst aufgrund der Gruppenintelligenz und der verschiedenen Rollen der Teammitglieder im Unternehmen.
Wichtig für uns war zunächst, die bestehende Erfahrung zu sammeln und zu systematisieren. Wir identifizierten die vier Säulen für erfolgreiche und verteilte Zusammenarbeit: Projektraum, Werkzeuge, Organisation und Team und beleuchteten diese in strukturierte Interviews. Wir sammelten die Kernaussagen und stellten Hypothesen auf, wie welches Problem gelöst werden kann. Darauf aufbauend entwickelten wir Best Practices. Während unserer Arbeit stellten wir fest, dass gemeinsame Werte und Wertevorstellungen die Zusammenarbeit maßgeblich beeinflussen und entwickelten anhand der fünf Scrum-Werte einen Wertekompass mit weiteren fünf Werten für verteilt und agile Teams. Dieser diente auch uns selbst im Rahmen unserer Initiative als Orientierung.
Unsere Coaching Toolbox entstand unter Mitwirkung unseres Coaches und aus unserer Erfahrung als Scrum Master. Wir sammelten und entwickelten Übungen, um z. B. in einem verteilten Team die Teamzugehörigkeit und das Vertrauen zu verbessern. Auf der Coaching Toolbox bauen auch die Workshops auf, die wir als Team-Kick-Off- und Teambooster konzipiert haben. Darüber hinaus haben wir den Austausch in der Community gesucht. Das positive Feedback hat uns stets Mut gemacht, weiter zu arbeiten.
Was haben wir geschafft und was nicht?
In einem Jahr haben wir erreicht, dass wir
- die Erfahrungen aus verteilten und agilen Projekten gesammelt und systematisiert haben,
- daraus Best Practices hinsichtlich des Projektraums, der Werkzeuge, der Organisation und des Teams abgeleitet haben,
- Kundenerfahrungen gesammelt und ausgewertet haben,
- ein Vorgehensmodell mit Artefakten und Aktivitäten erarbeitet haben, welches die kontinuierliche Begleitung von verteilten und agilen Projekte ermöglicht,
- Maßnahmen und Konzepte zur Unterstützung und Entwicklung verteilter Teams entwickelt haben,
- Einführungsworkshops konzipiert und durchgeführt haben,
- die wichtigsten Schlüsselrollen in der Firma einbezogen haben und
- die meisten Elemente des ETEO-Konzepts mindestens einmal erprobt haben.
Zum Ende des letzten Sprints haben wir noch nicht erreicht, dass
- die angestoßene Integration des ETEO-Vorgehensmodells in das Saxonia-Vorgehensmodell vollendet ist, da es eine langfristige und unternehmensübergreifende Aufgabe ist, und
- ein bereits konzipierter Management-Workshop durchgeführt wurde, da sich bisher nicht die Notwendigkeit bzw. Gelegenheit dazu ergeben hatte.
Welche konkreten Ergebnisse haben wir erzielt und welche Erkenntnisse haben wir gewonnen?
Die konkreten Ergebnisse sind
- eine umfangreiche Dokumentation über agile und verteilte Softwareentwicklung, welche neben dem Projektraum und der Werkzeuge einen Schwerpunkt auf die Entwicklung und Unterstützung verteilter Teams legt,
- Artefakte für die Phase vor Projektbeginn, wie z. B. Checklisten, Argumentationshilfen und Informationsmaterial,
- ein Reifegradmodell für verteilte und agile Teams,
- Best Practices für die Gestaltung des verteilten Projektraums und die Nutzung digitaler Kollaborationswerkzeuge und
- eine umfangreiche Coaching Toolbox basierend auf dem ETEO-Wertekompass, mit Übungen z. B. zur Verbesserung des Teamgefühls für verteilte und agile Teams.
Die wichtigsten Erkenntnisse der Initiative sind, dass
- Agilität und Verteilung möglich ist,
- Technik und Werkzeuge nur einen Teil erfolgreicher Zusammenarbeit ausmachen,
- unsere Kollegen häufig über sich hinauswachsen und das Team selbst durch Motivation und Expertise für den Erfolg eines Projekts entscheidend ist,
- von Beginn an die Besonderheiten der verteilten Zusammenarbeit auf allen Ebenen der Organisation thematisiert werden müssen,
- viele andere Unternehmen und die agile Community sich mit dem Thema der verteilten Zusammenarbeit auseinandersetzen und
- das ETEO-Konzept das Alleinstellungsmerkmal für unser Kerngeschäft unterstützt, in die Marke Saxonia Systems einzahlt und das Potential zu einem Beratungsprodukt hat.
In Zahlen haben wir mit einem Team von manchmal maximal 8 Mitgliedern
- eine über 200 Seiten (ermittelt durch Word-Export) umfangreiche Dokumentation erstellt,
- 8 Vorträge gehalten,
- 5 Artikel veröffentlicht,
- 5 Workshops durchgeführt und
- 2 Buchbeiträge vorbereitet.
Was wollen wir als nächstes tun?
Die Strategische Initiative ETEO ist mit dem letzten Standup zu Ende gegangen. Doch das Thema ETEO wird als operatives Thema weitergeführt. Im Verlauf der Strategischen Initiative ETEO hat sich herausgestellt, dass wir Material und Expertise haben, welches am Markt auf Interesse stößt und wir nun auch als Produkt anbieten möchten. Hierzu werden wir Marketingmaterial und Kampagnen vorbereiten. Konkret planen wir die Durchführung von Workshops in unserem Haus, um verteilte Teams aus anderen Organisationen in zwei Tagen optimal auf die verteilte Teamarbeit vorzubereiten. Ähnliche Workshops können auch beim Kunden angeboten werden, wie uns z. B. der im Januar erfolgreich bei einem unserer Kunden durchgeführte Workshop zeigt. Ergänzend wollen wir individuelle Beratungstage oder die Scrum-Master-Begleitung für agile und verteilte Teams anbieten. Natürlich werden wir auch die Betreuung unsere internen Projekte fortführen und weiter daran arbeiten, dass das ETEO-Vorgehensmodell und das Saxonia-Vorgehensmodell integriert werden. Auch werden wir unsere fachlich getriebene Öffentlichkeitsarbeit fortführen.
Abschließend bleibt der Eindruck über das, was wir in so kurzer Zeit und mit minimalen Aufwand erreichen konnten. Ein herzliches Dankeschön, an alle, die an der Strategischen Initiative mitgewirkt haben und bei allen Saxonia-Teams, die uns bei der Sammlung von Erfahrungen und Erprobung unterstützt haben.